Bilaterale Führung ist Gift für den Erfolg

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Es gibt Füh­rungs­kräf­te, die ver­la­gern mög­lichst vie­le Inhal­te ihrer Füh­rungs­auf­ga­be in bila­te­ra­le Gesprä­che mit jeweils nur einem Mit­ar­bei­ter. In unse­rer Bera­tungs­pra­xis nen­nen wir das „bila­te­ra­le Führung“.

Einer unse­rer Kun­den erzähl­te uns, er neh­me den viel­fa­chen Auf­wand von Ein­zel­ge­sprä­chen in Kauf, um zu ver­mei­den, dass er unbe­ab­sich­tigt einen Kol­le­gen vor der Grup­pe bloß­stellt. Mich über­zeugt das nicht, denn wir sind in ande­ren sozia­len Orga­ni­sa­ti­ons­for­men sehr wohl in der Lage, offen über das zu spre­chen, was alle bewegt, ohne jeman­den bloß­zu­stel­len. Wenn wir genau­er hin­schau­en, gibt es nur eine wirk­li­che kol­lek­ti­ve Tabu­zo­ne: Da wo es um pri­va­te Pro­ble­me des Ein­zel­nen geht. Selbst bei Beur­tei­lungs­ge­sprä­chen oder Ent­gel­ten expe­ri­men­tie­ren man­che schon mit öffent­li­chen Ansät­zen. Ver­bre­cher ver­han­deln gemein­sam dar­über, wer wel­chen Anteil an der Beu­te bekommt. Wem das zu mutig ist, der kann min­des­tens das, was irgend­ei­nen Bezug zur betrieb­li­chen Wert­schöp­fung hat, beden­ken­los im Kol­lek­tiv besprechen.

Ande­re füh­len sich nur in 1:1-Situationen stark genug, ihre Inter­es­sen gegen­über ihren Mit­ar­bei­tern durch­zu­set­zen und zu bestim­men, was gemacht wer­den soll. Sie nut­zen die bila­te­ra­le Füh­rung als Macht­in­stru­ment. Es fehlt ihnen letzt­lich an Selbst­ver­trau­en und sie haben Angst davor, in der Grup­pe die Kon­trol­le zu ver­lie­ren. Was unwahr­schein­lich ist, denn wer hät­te jeman­den zum Chef gemacht, der gera­de mal so stark ist, dass ihm nur Ein­zel­per­so­nen folgen?

Die Nach­tei­le bila­te­ra­ler Füh­rung lie­gen auf der Hand: Sie zer­stört die all­ge­mei­ne Trans­pa­renz. Nie­mals kön­nen meh­re­re Gesprä­che nach­ein­an­der so geführt wer­den (selbst wenn man sich größ­te Mühe gäbe), dass exakt das­sel­be gesagt bzw. das­sel­be ver­stan­den wird. So ent­ste­hen zwangs­läu­fig unter­schied­li­che Rea­li­tä­ten, ver­schie­de­ne Annah­men und in der Fol­ge Irri­ta­tio­nen, Miss­ver­ständ­nis­se und Feh­ler bei der betrieb­li­chen Arbeit. Über­haupt wird das fokus­sier­te Arbei­ten der Grup­pe weni­ger wahrscheinlich.

Aber was noch viel schlim­mer ist als die Ver­schwen­dung: Feh­len­de Trans­pa­renz schafft Miss­trau­en. Denn die Grün­de für Unter­schied­lich­kei­ten sind für den Ein­zel­nen nicht nach­voll­zieh­bar. Gerüch­te, Miss­gunst und Kon­flik­te sind die Fol­ge. Jeder beginnt sein eige­nes Nicht­wis­sen nach Gut­dün­ken aus­zu­fül­len und das zu machen, was er für rich­tig hält. Und ver­sucht in sei­nen Gesprä­chen mit dem Chef das Bes­te für sich her­aus­zu­ho­len. Klei­ne Sie­ge, die oft nur genau so lan­ge Bestand haben, bis im Chef­ge­spräch mit dem Kol­le­gen genau das Gegen­teil ver­ein­bart wird. Das bringt uns auf die Bar­ri­ka­den und ver­gif­tet das Betriebsklima.

Dies alles schwächt die Akzep­tanz der Füh­rungs­kraft – aller­dings hin­ter ihrem Rücken. Trotz der gefühl­ten Stär­ke ver­liert sie mit jedem Unver­ständ­nis, jedem Kon­flikt und jedem Mei­nungs­wech­sel an Anse­hen. Gleich­zei­tig läh­men Gere­de, Miss­ver­ständ­nis­se und Neben­kriegs­chau­plät­ze die betrieb­li­che Wert­schöp­fung. Am Ende bezah­len die Anhän­ger der bila­te­ra­len Füh­rung ihren schö­nen Schein mit einem guten Teil ihres betrieb­li­chen Ergebnisses.

Steht hin­ge­gen das betrieb­li­che Wohl an ers­ter Stel­le, bevor­zu­gen wir die kol­lek­ti­ve Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem gesam­ten Team. Die Vor­tei­le lie­gen auf der Hand:

  1. Sie spart viel Auf­wand. Alles muss nur ein­mal erzählt wer­den. Die Füh­rungs­kraft muss sich deut­lich weni­ger Details mer­ken (mit wem habe ich was bespro­chen?). Es gibt deut­lich weni­ger Irri­ta­tio­nen, Rück­fra­gen und Kon­flik­te, die auf­ge­klärt wer­den müssen.
  2. Es gibt eine deut­li­che erhöh­te Chan­ce auf nur eine Rea­li­tät, weni­ger Miss­ver­ständ­nis­se, Irri­ta­tio­nen und in der Fol­ge Priorisierungs- sowie Arbeitsfehler.
  3. Pro­ble­me und Feh­ler in der Wert­schöp­fung wer­den gemein­sam bespro­chen, was die kol­lek­ti­ve Lern­fä­hig­keit erhöht.
  4. In den gemein­sa­men Gesprä­chen erle­ben sich alle und ler­nen sich ein Stück bes­ser ken­nen. Das schafft Ver­bin­dun­gen und ist gera­de in stark arbeits­tei­li­gen Unter­neh­men eine der weni­gen Mög­lich­kei­ten, die sozia­le Dich­te im Team zu erhöhen.
  5. Die Grup­pe wirkt für den Chef wie ein per­ma­nen­ter Spie­gel. Er erhält viel mehr Reak­tio­nen, weil sich jeder mehr zutraut. Er kann sich in sei­ner Über­zeu­gungs­kraft aus­pro­bie­ren und erhält zugleich auch Hin­wei­se, die inhalt­lich zu bes­se­ren Lösun­gen führen.
  6. In kri­ti­schen Fäl­len wird ihm die Grup­pe zur Hil­fe kom­men und er wird in die­sen Situa­tio­nen stär­ker sein, als er es vor­her je allei­ne gewe­sen ist.

Am Ende bestimmt die kol­lek­tiv agie­ren­de Füh­rungs­kraft viel­leicht über weni­ger Details, erhält dafür aber deut­lich bes­se­re Ergeb­nis­se. Ein guter Deal. Damit ist kol­lek­ti­ve Füh­rung eine Art DRS für Führungskräfte.

 

Bild: Dul­cey Lima, unsplash.com

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